PIECES OF ME

Repertoire

7 Tänzer / Bühne: 15m x 10m – keine Bestuhlung / Aufführungsdauer: 1 h

ZUM STÜCK

 

// Premiere: 17. Oktober 2013, Theater im Ballsaal, Bonn // Vorpremiere „Version Raccot“ 10. Oktober 2013, Atelier-Théâtre du Raccot, Monthey (CH)

 // Eine Produktion der CocoonDance Company in Koproduktion mit dem theaterimballsaal Bonn Théâtre du Crochetan, Monthey

 // Gefördert durch: Kunststiftung NRW, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Bundesstadt Bonn, Théâtre-ProVS, Le Conseil de la Culture Etat du Valais, La Loterie Romande, Migros-Kulturprozent.

 

PIECES OF ME ist eine Einladung an den Zuschauer, eine Aufführung nicht wie üblich von Draußen zu betrachten, sondern über die Schwelle zu treten. Um vom Unbewohnten zum Bewohnten, vom Außen zum Werkinneren, vom Realen zum Fiktiven sich zu bewegen. Denn das neue Projekt, das wie alle letzten Inszenierungen des Bonner Ensembles zum Ziel hat, Tanz als Erzählform weiterzuentwickeln, orientiert sich in seinem Aufbau und Struktur am Medium der DVD und seinen interaktiven Möglichkeiten des „Bonusmaterials“. Dieses Beiwerk an Zusatz- und Hintergrundinformationen, seine Paratexte bilden in PIECES OF ME das eigentliche Stück und provozieren zugleich ein Nachdenken über die Art und Weise Kunst zu produzieren.

 

Von und mit: Stéphanie Bayle, Fa-Hsuan Chen, Álvaro Esteban,

Werner Nigg, Inma Rubio, Susanne Schneider, Andi Xhuma / Dennis Alamanos // Choreographie: Rafaële Giovanola // Dramaturgie, Konzept: Rainald Endraß // Text: Inma Rubio, CocoonDance und Ensemble inspieriert von Texten von Bastien Fournier, Vaslav Nijinsky, Elfriede Jelinek, Frank Bidart // Musik: Jörg Ritzenhoff // Set design: CocoonDance, Marc Brodeur //

Lichtgestaltung: Marc Brodeur// Kostüme: Gilvan Coêlho de Oliveira // Video installation*: Michael Maurissens, Inma Rubio // Literarische Beratung: Bastien Fournier// Assistenz: Marcelo Omine// Training: Marcelo Omine, Elena Martino, Vera Sander, Douglas Bateman, Kojiro Imada // Fotos: Lilian Szokody, Matteo Colombo // Management-P&Ö-Arbeit: mechtild tellmann kulturmanagement

“Mit Sicherheit eines der Höhepunkte im Tanz in dieser Spielzeit in Deutschland: PIECES OF ME – CocoonDance.” tanzwebköln

 

" (…) »Pieces of me« fragt nach der Dualität von Täter und Opfer, weiß keine fertigen Antworten, bietet vielmehr Fragmente, die sich erst in der Sicht des Zuschauers zum Mosaik fügen.

Dazu arbeitet Giovanola mit dem Konzept eines offenen Raumes ohne feste Sitzplätze. Der Betrachter soll sich beim Wandern selbst den Blickwinkel suchen, von dem aus er der tänzerischen Aktion zusieht. Sie vereint Tanz, Text, Musik, Video und offeriert gleichsam eine Zustandbeschreibung unserer gegenwärtigen Welt. Ein metallenes Gestell wird auf der weiß grundierten Szene stets umplatziert, schafft so Unterräume und treibt die Tänzer darin vor sich her.

Isoliert ziehen sie ihre Bahn, in einer sich aufheizenden skulpturalen Bewegungssprache aus Torsion, Körperwellen und schlaksiger Fahrigkeit. Kurze Soli nur ereignen sich, reißen ab, hinterlassen Spuren im Raum, ergeben den Zusammenklang von Vereinzelung einer diffusen Gesellschaft. Selbst Begegnungen bringen kein Miteinander, erschöpfen sich in der Wiederholung.

 Eine Frau will befehlen, eine andere übertönt ihr Wort, einer dritten tröpfelt unendlich mühsam nach dem »I« das erlösende »love you« aus dem Mund. Ob die Liegenden Opfer sind, die Laufenden Täter oder jeder beides, bleibt offen. In wilder Attacke reagieren sich am Ende Aggressionen ab, transportiert von einer exzellenten Tänzermannschaft, der man gern zuschaut." (Volkmar Draeger, Neues Deutschland, 21.05.2014)

 

„'Pieces of me' hat keinen Halt mehr an einem Ort oder einer Person, es ruft zum Bezeugen auf und verbirgt sich, indem es Gedanken und Getanes scheinbar offen legt; die Erinnerung an das Tanzen auf Erde und ein rotes Kleid blitzt auf, ein Stück aus einem kollektiven Traum. (Melanie Suchy, Katalog zur TANZPLATTFORM DEUTSCHLAND 2014, Hamburg, hrsg. Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts)

 

"Im Uferstudio ist ein weißes Rechteck markiert. Stichworte von Raumtheorien Peter Brooks', Derridas sind am Rande notiert. Die Zuschauer dürfen um das Spielfeld herumgehen, um die Tänzer aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Die Spanierin Imma Rubio durchmisst den geometrischen Raum, ändert die Richtung, kippt und bricht aus. Wie sie ihre Bewegungen, die sie selbst kommentiert, vielfach bricht, ist fantastisch. In hochhackigen Schuhen wird sie zur resoluten Spielleiterin, die mit einer Stellwand die Tänzer zur ständigen Neupositionierung zwingt. Zersprengte Gesten künden von unterdrückten Emotionen.

Textauszüge von Elfriede ]elinek, Nijinsky, Bastien Fournier öffnen ein weites Assoziationsfeld. Die Stimmung verdüstert sich zunehmend, ein rabiates Männertriospürt Gewalterfahrungen nach. Fa-Hsuan Chen stammelt mit verbundenen Augen eine Liebeserklärung. Zu einem sinnfälligen Ganzen verbinden die Fragmente sich nicht. "Pieces of me" handelt von der Zersplitterung der Wahrnehmung, der Auflösung des Selbst. Dank der hochkonzentrierten Tänzer entwickelt die Aufführung' dennoch starke Sogkraft." (Sandra Luzina, Der Tagesspiegel, Berlin, 24.05.2014)

 

„Seit Jahren erforschen die Choreografin/Regisseurin Rafaële Giovanola und der Dramaturg Rainald Endraß die Bedingungen und Möglichkeiten des tänzerischen Erzählens.  Das interaktive "Bonusmaterial" heutiger DVDs hat sie inspiriert zu einer Reflektion über unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven. Das Beiwerk wird zum Hauptwerk, die Zuschauer "navigieren" durch Fragmente von Geschichten, während die zentrale Story Fiktion bleibt. Das Publikum soll sich um die Spielfläche herum bewegen und seine Blickwinkel verändern. Schwarze Schriftzeichen am Rand des weißen Tanzbodens evozieren Peter Brooks "leeren Raum" und diverse topologische Konzepte des 20. Jahrhunderts, während die Geometrie des Ortes in wechselnder Beleuchtung (Raum und Lichtgestaltung: Marc Brodeur) changiert und durch die raffinierten Klangspuren von Jörg Ritzenhoffs Musik ständig neue Dimensionen gewinnt.  (…) Die Zuschauer erfahren sich als fragende Mit-Akteure, die aus performativen Bruchstücken ein mögliches Drama selbst erfinden dürfen. (…)  Ein spannendes Stück ist "Pieces of me" gleichwohl, wenn auch eins über die mechanische Zerstückelung des Erlebens von Kunst und ihrer Herstellung. Langer, überzeugter Premierenbeifall nach einer schweißtreibenden Stunde, bei der man der harten körperlichen Arbeit der Tänzer beim Entstehen von Imaginationen unmittelbar begegnet.“  (General-Anzeiger, Bonn, Elisabeth Einecke-Klövekorn, 19.10.2013)

 

„Der Blickwechsel, also die Änderung der Perspektive, gehört zu den wichtigsten Instrumenten von „CocoonDance“, der im Ballsaal beheimateten Tanzcompagnie, die so fabelhaft intellektuell tanzen kann dank ihrer Choreografien und ihres Dramaturgen. Wegen Rafaële  Giovanola und Rainald Endrass und Solisten, die ihr jüngstes Stück „Peaces of Me“ zur Weltraummusik von Jörg Ritzenhoff uraufführten. Auch sie selbst halten „Peaces of Me“ nicht eigentlich für ein Stück, sondern eher für Stückchen, aus denen sich wie aus geschüttelten bunten Glassplittern, reflektiert, immer, neue Bildchen zusammensetzen lassen. … Die Zuschauer, die sonst unbewegt im Sessel sitzen, bewegen sich um die Bühne herum. Dem Tanz auf der Bühne – wie ein großes, weißes Spielfeld – überlagerte sich die Bewegung des Publikums, über die sich noch ein eingespielter Film legte. Man kann das den DVD-Effekt nennen.“  (Bonner Rundschau, Heinz-Dieter Terschüren,19.10.2013)

 

Das Stück ist im Grunde überladen, aber nicht schwer. Ein Hingucker." (Melanie Suchy, tanz/ kultiversum 5/2014)

 

Ensemble CocoonDance beeindruckt in der Heeder - Das Bonner Ensemble CocoonDance ist eine der intellektuellen Antworten in Nordrhein-Westfalen auf die zeitgenössischen Herausforderungen an die Tanzkunst. Unermüdlich arbeitet es an neuen Erzähltechniken, künstlerischen Herangehensweisen.

Einen schrägen Weg beschreiten Rafaele Giovanola (Choreographie) und Rainald Endrass (Dramaturgie) in „Pieces of me“: Sie orientieren sich an der Struktur von DVD-Bonusmaterial mit seinen Outtakes, Produktions-notizen, verschiedenen Ansätzen und Interviews. Die Splitter bilden ein eigenes Stück. Das Gastspiel in der Fabrik Heeder im Rahmen des Festivals tanz nrw 15 zeigte, dass das außergewöhnliche Konzept aufgeht.(…) Drei Männer und vier Frauen, allesamt herausragende Akteure, schreiten, tanzen, sprechen und tragen handgreifliche Konflikte miteinander aus. Immer wieder wirft sich jemand auf den Boden, bleibt unbewegt liegen, als warte er auf die Spurensicherung. 

Dazu hat der Komponist Jörg Ritzenhoff einen synthetischen Soundteppich geschrieben. Verstörend sphärisch und pulsierend, treibt er das Geschehen voran. Zwingt zur Konzentration. 'Pieces of me' ist ein beeindruckender, aber auch anstrengender Perspektivwechsel." (Bettina Trouwborst, Westdeutsche Zeitung/ Krefelder Zeitung, 27.04.2015)


"Weltklasse und überhaupt viel Bewegung: "Ulm moves!" bot umjubelte Gastspiele ... [Untertitel] 

Herumlaufen ist wichtig", betonte Karla Nieraad, die Stadthaus-Chefin, und instruierte das Publikum. Klar, beim Festival "Ulm moves!" auf jeden Fall. Aber am Freitagabend war man direkt gefordert. "Pieces Of Me" hieß die Choreografie von Rafaele Giovanola, mit der das Bonner Ensemble Cocoon Dance gastierte - "im" war wörtlich zu verstehen, der Stadthaus-Saal diente als Spielfeld eines intellektuellen Tanz-Experiments.

Der Boden ist ausgelegt für sechs Akteure, angeführt von Inma Rubio in hochhackigen Schuhen als Zuchtmeisterin, die auch eine Stellwand bewegt, um immer neue Konstellationen im "Möglichkeitsraum" einzufordern. ... Peter Brooks Theorie vom "leeren Raum" spielt hier eine Rolle, und auf den Rändern der Tanz-Matte stehen Städtenamen wie "Berlin" und Begriffe wie "Voyeur". Diese Choreografie, 2013 uraufgeführt, ist ein Exkurs über unsere Wahrnehmung und zersplittert gleichzeitig jeden Erzählfluss. Alles ist eine Frage der Perspektive. "Pieces Of Me" heißt das Stück deshalb, womit wir bei den Zuschauern wären. Diese sitzen nicht ums Geschehen herum, sie dürfen, sie sollen ihren Standort wechseln, herumlaufen - und später integrieren die Tänzer auch die Zuschauer. "Pieces Of Me": eine interessante, etwas theorielastige Kunstproduktion."

(Jürgen Kanold, Südwest Presse, 22.06.2015)

 

„In der Auseinandersetzung mit den Themen ihrer Aufführungen erwächst Jahr für Jahr, Produktion um Produktion aus Rafaële Giovanola und ihren Tänzern eine Ästhetik des Gestus, brutal, freizügig und ausschweifend zugleich, aber immer absolut fesselnd. (…) Zu der Musik von Jörg Ritzenhoff, pulsieren die Triebkräfte von Leben und Tod, von Liebe und Hass, Dieser Tanz, wie ein Ritual, um die Obsessionen von Rafaële Giovanola zu bedienen, versetzt uns schon in Ungeduld, mit der wir ihre nächste Arbeit erwarten.“  (Nicole Mottet, freie Journalistin zur Vorpremiere PIECES OF ME, 13.10.2013)